Der Widerstand scheint zuzunehmen

Thierry

Während in Frankreich am 18. September 2025 600.0001 Bürger (0,8 Prozent der gesamten Bevölkerung Frankreichs2) auf die Straßen gegen den Sozialabbau gegangen sind, gingen am 3. Oktober „Zigtausende“ in Berlin3 für den Frieden durch die Stadt. Die Frage ist: Was versteht man unter „zigtausende“? 1.000, 10.000 oder 100.000?

Nein, in Berlin sind zwischen 7.500 und 20.000 Bürger auf die Straße gelaufen. Immerhin 0,19 % von 3.897.1454 Einwohnern. Bundesweit kann man sehr viel spekulieren und fast nur ahnen, wie viel unter den 83,6 Millionen5 Bürgern am 3. Oktober Tag der Wiedervereinigung auf die Straßen gelaufen sind. 600.000 wäre ein Wunder.

Wie sieht es denn in anderen europäischen Ländern mit dem Protest gegen Sozialabbau, den Krieg und die Abschaffung der Demokratie bzw. der Meinungsfreiheit aus? In Belgien sind schätzungsweise 100.000 Bürger im Februar 20256 auf die Straße gegangen, und 21. bis 28. September 2025 haben sich zweihundert Gemeinden den Internationalen Friedenstagen7 angeschlossen.

Unsere direkten Nachbarn sind ebenfalls von den Engländern gut begleitet, denn in Liverpool wurde im August dieses Jahres gegen die sozialen Ungleichheiten, die Regierungsstrategien und den Sozialabbau stark protestiert8. Die drei Hauptthemen treffen bezahlbare Wohnungen, Arbeitsplatzsicherheit und Sozialfürsorge zu. Überall in Europa wächst die Wut gegen die Kriegswirtschaft und den Demokratieabbau9.

In mehreren Fällen werden die Proteste seitens der Polizei stark reprimiert10 und viele Teilnehmer mit Gewaltanwendungen gedroht, sogar scharf angegriffen11. Zwar ist im Grundgesetz die Freiheit zu demonstrieren fest verankert, diese wird teilweise ignoriert oder per Eilverfahren außer Kraft gesetzt. Wer an falscher Stelle zum falschen Zeitpunkt friedlich demonstriert, kann für seine Proteste bzw. seine Slogans wegen Staatsdelegitimierung vor Gericht stehen, und erheblich zur Kasse gebeten werden.

Das ist doch ein Zeichen dafür, dass das europäische Konstrukt am Ende ist, oder? Einerseits fordern konservative Gruppen wie die Heritage Foundation12, einen ultraliberalen Think-Thank, die Abschaffung der Eurokratie, um Platz für einen Marktradikalismus zu machen. Ohne oder mit Eurokratie ist der Marktradikalismus doch schon Alltag geworden.

Andererseits kämpfen Figuren wie Yanis Varoufakis für eine sozialistische Vision der europäischen Einigung mit DiEM25. Vor ein paar Monate wurde er sowohl physisch als auch digital daran gehindert, um an einem Palästina-Kongress teilzunehmen13. Klar ist seine Meinung über die Expansion der US-Hegemonie, die die ganze Welt in Armut und Verelendung führt.

Aber jetzt zurück zu den Bürgerprotesten. In Frankreich hat der zweite Protest am 2. Oktober 2025 kaum eine große Welle geschlagen, denn im Vergleich zum September Protest haben laut öffentlicher Medienlandschaft nur 195.000 Bürger teilgenommen14, also einen Rückgang von 400.000 Personen. Hier kann man sich die Frage stellen: Was ist denn passiert? Oder, wer lügt mal wieder? Die öffentliche Medienlandschaft oder die Gewerkschaften? Laut Gewerkschaften sind am 2. Oktober wieder 600.000 Bürger auf die Straße gekommen, um gegen die Pläne der Regierung zu protestieren. Vergessen, sollte man nicht, dass Le Figaro der kriegstüchtigen Familie Dassault gehört15.


Falls die Protestbewegungen bei dieser Teilnehmermenge bleiben, d. h. unter der kritischen Masse von 2,75 Prozentpunkt, dann werden die Staatslenker sich kaum um einen Dreck scheren, den Sozialabbau zu stoppen. Im Gegenteil sind ihnen in diesem Fall Türe und Tore geöffnet, um weitere Maßnahmen wie Einschränkung der Protestbewegungen, Verbot der Meinungsfreiheit, insbesondere bei Staatsdelegitimierung, bis hin zum Spannungsfall zuzustimmen.

Dennoch sollte man nicht aufgeben. Eine Vernetzung aller Widerstandsgruppen auf europäischer Ebene ist mehr denn je zu fördern. Der Herbst kann für viele unter uns schon sehr kalt werden16. Es sei denn, wir finden den Anschluss eine Einigung17 anzustreben, um die aufgebaute Spaltung den letzten Jahren aus dem Weg zu schaffen.

  1. Bastien Matios, 18.09.2025 https://www.revolutionmagazine.com/manifestations-18-septembre-2025-greve-generale-france.html ↩︎
  2. https://www.insee.fr/fr/statistiques/5225246 ↩︎
  3. Uli Gellermann, 4.10.2025 https://www.rationalgalerie.de/home/zigtausende-in-berlin ↩︎
  4. https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/a-i-5-hj/ ↩︎
  5. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/01/PD25_030_124.html ↩︎
  6. Raf Casert, Marius Burgelman, 13.02.2025, https://www.independent.co.uk/news/brussels-belgian-europe-socialist-nato-b2697761.html ↩︎
  7. Journée internationale de la Paix 2025, https://www.cnapd.be/event/journee-internationale-de-la-paix/ ↩︎
  8. 1Samantha, 9.08.2025, https://questeuro.com/2025/08/09/inside-europes-escalating-protests-what-liverpools-crowd-means-for-eu-social-policy/ ↩︎
  9. https://centraleuropeantimes.com/wave-of-anti-govt-protests-sweeps-cee/ ↩︎
  10. Flore du Teilleul, 10.04.2025, https://www.liberties.eu/en/stories/rule-of-law-2025-protests/45384 ↩︎
  11. Holger, 31.08.2025, https://nachdenken-in-koeln.de/friedensdemonstranten-niederknueppeln
    ↩︎
  12. https://www.desmog.com/heritage-foundation/ ↩︎
  13. https://jacobin.de/artikel/varoufakis-siko-imperialismus-nato-russland-china-mera25-diem25-europa-trump ↩︎
  14. Enguerrand Armanet, Louise de Maisonneuve, Paul Vaissermann, Alexandra Perrini et Aldric Meeschaert, 2.10.2025 https://www.lefigaro.fr/social/en-direct-greves-et-manifestations-du-2-octobre-2025-les-syndicats-veulent-maintenir-la-pression-avant-l-annonce-du-budget-2026-20251002 ↩︎
  15. https://www.monde-diplomatique.fr/cartes/PPA ↩︎
  16. Dorit Hollasky, 01.10.2025, https://solidaritaet.info/2025/10/merz-kuendigt-herbst-der-reformen-an/ ↩︎
  17. Maike Gosch, 3.10.2025, https://www.nachdenkseiten.de/?p=140001 ↩︎

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